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Lochkartenmaschinen

1. Grundsätzliches

Das Bedürfnis, Rechen- und Verwaltungsarbeit zu rationalisieren, war immer schon Antrieb für viele Entwicklungen und Erfindungen auf technischem Gebiet. Allerdings ermöglichte erst die Erfindung der Lochkartentechnik die Erfassung, Verarbeitung und Auswertung von massenhaft anfallenden Daten. Rechenmaschinen davor waren immer auf Einzeleingaben angewiesen. Bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde maschinelle und elektronische Datenverarbeitung in allen Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens auf der Basis des Speichermediums “Lochkarte” durchgeführt.

Es gab Lochkartenmaschinen zum Erfassen, Sortieren, Aufbereiten und Auswerten von Lochkarten. Eine Tabelliermaschine zum Auswerten von Lochkarten besteht aus Baugruppen für Gestell und Antrieb sowie für den Kartenkopf, das Rechenwerk, das Summenwerk und das Druckwerk. Die mechanischen Baugruppen werden durch Elektromagnete und Relais angesteuert. Häufig wiederkehrende Programme bleiben in mehreren Programmtafeln mittels Kabelverbindungen fertig gesteckt. Die Tafel mit dem benötigten Programm wird in die Maschine eingesetzt. Dadurch wird die Maschine gesteuert.

Ein Bedienungspult ist vorhanden. Die Maschine fühlt die als Lochung vorgegebenen Daten aus den Lochkarten ab. Die Daten werden verarbeitet. Die Ergebnisse werden in Klarschrift in einer Liste oder Tabelle niedergeschrieben.

2. Lochkartenmaschinen

2.1. Hardware

2.1.1. Die Tabelliermaschine Soemtron 401

Die Tabelliermaschine Soemtron 401 ist eine auf numerischer Basis arbeitende Auswertungsmaschine für 80spaltige Lochkarten. Sie hat einen maximalen Durchlauf von 9000 Karten pro Stunde unter Berücksichtigung der Zwischen- und Summengänge. Für die Zwischengänge sind 3 Maschinengänge erforderlich. Die Maschine hat 17 Zählwerke mit je 12 Stellen und ein Summenwerk. Die Zählwerke können als Saldierzähler im Kartengang wahlweise positive oder negative Zahlenwerte aufnehmen. Sie geben Komplementwerte ab und löschen gleichzeitig. Die Erregung der Zählwerkfunktion weicht von der bei Tabelliermaschinen üblichen Programmierung wesentlich ab. Für die Erregung des Eingangs und des Ausgangs sind getrennte Sendebuchsen vorhanden. Sie unterscheiden sich in der Sendezeit und dürfen nicht vertauscht werden. Die Impulse beim Zusammenschließen von Sendebuchsen bei mehreren Gängen werden über einstellige Steuerhilfsapparate zusammengeführt. Das Erkennen bestimmter Lochungen erfolgt über die Gruppenkontrolle unter Erregung eines Steuerhilfsapparates.

Die Tabelliermaschine Soemtron 401 besitzt ein Druckwerk mit 100 Stellen. [1]

2.1.2. Die Tabelliermaschine Soemtron 402

Die Tabelliermaschine Soemtron 402 ist eine Weiterentwicklung des Typs 401. Die Anzahl der maximal ablaufenden Maschinengänge beträgt 9000 pro Stunde. Es gibt Zählwerke mit unterschiedlicher Stellenzahl (2,4 und 8 Stellen), die untereinander wahlweise koppelbar sind. Insgesamt sind 150 Zählstellen vorhanden, die wesentlich funktionssicherer sind als bei der Soemtron 401. Die Zählwerke sind Saldierwerke, allerdings erfolgt die Ausgabe von reellen Zahlen. Damit wird das Summenwerk überflüssig. Auch die Minuswerte sind im Zählwerk als Komplement zum reellen Wert enthalten und werden bei der Abgabe vom Zählwerk mittels Programm in den reellen Zahlenwert umgesetzt. Diese Tabelliermaschine ist zur Multiplikation und Division von Zahlenwerten geeignet, allerdings mit hohem Zeitaufwand. [1]

2.1.3. Der Schrittlocher Soemtron 415

Der alphanumerische Motorschrittlocher Soemtron 415 besitzt neben den Funktionstasten auch eine auswechselbare Programmkarte für 3 verschiedene Programme. Programmierbare Funktionen sind Lochfeldbegrenzung, Sprung, Duplizieren, Leerschritt oder Lochen von Vornullen.

Von einer auf eine Trommel aufgespannten Lochkarte können konstante Daten auf Einzelkarten übertragen werden. Die Leistung bei Dateneingabe beträgt maximal 20 Spalten je Sekunde. [2]

2.1.4. Der Schrittprüfer Soemtron 425

Der Motorschrittprüfer Soemtron 425 entspricht in seinem Aufbau dem Kartenlocher Soemtron 415. Alle geprüften und richtigen Lochkarten erhalten nach der 80. Spalte eine Kerbung am Kartenrand. Fehlerhafte Lochspalten werden nach zweimal wiederholter Prüfung am oberen Kartenrand mit einer Fehlerkerbung versehen. [2]

2.2. Geschichte der Lochkartenmaschinen

Als Erfinder der elektromechanischen Lochkartentechnik gilt allgemein Hermann Hollerith. Zuvor hatte sich auch der Engländer Charles Babbage (1792-1871) bereits damit befasst, war jedoch an der technischen Durchführung gescheitert. Hermann Hollerith (1860-1929) entstammte einer deutschen Einwanderungsfamilie und wurde in Buffalo, Bundesstaat New York, geboren.

Die Lochkarte als Speichermedium einzusetzen, leitete er aus den Lochkarten der Jacquard-Webstühle und den Fahrkarten der amerikanischen Eisenbahnen ab. 1884 wurde seine Lochkarte und bereits 5 Jahre später die dazu gehörende Hardware, bestehend aus Locher, Zählmaschine und Sortierer patentiert. Haupteinsatzgebiet waren zunächst die Bevölkerungszählungen in den USA, ab 1890 in Europa, zuerst in Österreich und ab 1910 in Deutschland, vor allem in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Sachsen. Vermietung der Maschinen erfolgte in Deutschland durch die Deutsche Hollerithmaschinen GmbH, welche bis 1945 die deutsche Außenstelle des amerikanischen Mutterkonzerns IBM war. Ab 1945 gab es in allen alliierten Besatzungszonen Lochkartenmaschinen in Stationen der Außenstelle IBM Deutschland. Die Stationen arbeiteten als Dienstleistungsbetriebe. Aus der 1990 verschrotteten Station der Deutschen Reichsbahn AG in Dresden stammen der in den TSD gezeigte Motorlocher IBM Typ 015, die Sortiermaschine IBM Typ 080, die Tabelliermaschine IBM Typ 083 und die durch Stecker programmierbare Tabelliermaschine IBM D11.
Wegen des Kalten Krieges zwischen den Staaten der NATO und denen des Warschauer Vertrages befürchtete die Regierung der DDR die Kündigung von Verträgen durch IBM Deutschland. Der 1957 gegründete VEB Elektronische Rechenmaschinen in Karl-Marx-Stadt wurde mit der Entwicklung von Lochkartenmaschinen beauftragt. Sie wurden im VEB Büromaschinenwerk Sömmerda produziert.

3. Zusatzgeräte

3.1. Der Summenlocher Soemtron 440

Der Summenlocher Soemtron 440 ist ein Zusatzgerät zu den Tabelliermaschinen Soemtron 401 und 402. Seine Programmierung erfolgt auf der Programmtafel in der Tabelliermaschine. Er ermöglicht die Übernahme von Summenwerten der Tabelliermaschine in andere Lochkarten. Wenn die Einzelwerte nicht mehr benötigt werden, ist dadurch eine weitere Auswertung der Summenwerte in anderen Verarbeitungsgängen möglich. Die Verwendung der Summenwerte verkürzt die Durchlaufzeit in der Tabelliermaschine. Das Stanzen der Summen in die Lochkarten erfolgt in zwei Arbeitsgängen getrennt nach ungeraden und geraden Nummernlochungen. Mit einem Kartenzähler werden die gelochten Summenkarten gezählt. Der Stanzblock besteht aus 480 Lochstempeln. Im Soemtron 441 befindet sich ein Stanzblock mit 960 Stanzstempeln. Seine Verarbeitungsgeschwindigkeit liegt bei 6000 Karten je Stunde. [2]

3.2. Der Multiplikationszusatz für Lochkartenmaschinen

Der elektronische Multiplikationszusatz für Lochkartenmaschinen Robotron ASM 18 ist ein Zusatzgerät zu den Tabelliermaschinen Soemtron 401 und 402.

Er konnte auch an den Kartendoppler von BULL aus Frankreich oder das E/A-Gerät des Rechners Robotron 100 in seiner Dopplerfunktion angeschlossen werden. Er besitzt ca. 400 Pentodenröhren PL 84 und rechnet intern dual. Der Multiplikand ist dual 10-stellig, der Multiplikator dual 8-stellig. Das Ergebnis ist dual 18-stellig. Durch eine Programmiertafel können drei Spalten auf der Lochkarte für den Multiplikanden A, zweimal zwei Spalten für die Operanden B und C und einmal fünf Spalten für das Ergebnis festgelegt werden. Folgende Rechenarten können für die Berechnung von Zuschlägen eingestellt werden:

   X=: (A * B), Y=: (A * B * C) und Z=: ( (A * B) + C).

Von 1959 bis 1963 wurden im VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt 317 Stück produziert.

Autoren und Quellen

Autor zu 1., 2. und 3.1.: Dr. Siegfried Israel; Rechenzentrum Statistisches Landesamt Sachsen
Autor zu 3.2. und 3.3.: Thomas Schaffrath; Logikentwerfer, Informatikassistent Wirtschaft

[1] Reihe Lochkartentechnik: Auswertungsmaschinen, Verlag Die Wirtschaft Berlin, 1966,
[2] Hans-Peter Smers, Das maschinelle Lochkartenverfahren, Fachbuchverlag Leipzig, 1969.