Förderverein für die Technischen Sammlungen der Stadt Dresden
Junghansstraße 1-3
01277 Dresden
Deutschland


Digitalrechner mit Schalttafeln

1. Die Optikrechenmaschine OPREMA

1.1. Hardware

Die Optikrechenmaschine OPREMA war eine dezimale Gleitkommamaschine mit einer Wortlänge von 38 Dualstellen und einer 39. Dualstelle als Sonderzeichen für Null, Unendlich und Unbestimmt. Sie hatte eine Genauigkeit von 32 Dualstellen bzw. 8 Dezimalstellen. Da die Relais nur im spannungsfreien Zustand geschaltet wurden, hatten sie eine hohe Lebensdauer. Das führte dazu, daß die Relais insgesamt nur einen äußerst geringen Energiebedarf von 30 bis 40 Watt hatten.

Die Programmausführung erfolgte mit Steckern auf Schalttafeln wie bei den Lochkartenmaschinen. Die Eingabe der Daten erfolgte ebenfalls auf Stecktafeln. Für jede Dezimalziffer war ein Tetradenstecker mit 4 Stiften vorhanden. Es gab 25 Dreiadreßbefehle mit je 6 Bit für die 1. und 2. Operanden-Adresse, 5 Bits für die Resultat-Adresse und 6 Bits Operationsteil. Die Rechenzeiten betrugen

  • 120 ms für Addition oder Subtraktion,
  • 800 ms für Multiplikation oder Division
  • 1200 ms für Radizieren.

1.2. Historischer Hintergrund

Im Oktober 1946 wurden die Zeiss-Spezialisten in Jena für fünf Jahre zur Arbeit an militärischen Projekten in der Sowjetunion zwangsverpflichtet. Wer Familie hatte, mußte seine Angehörigen mitnehmen. Sie reisten in 42 Waggons mit Gepäck in die Region Moskau. Nach fünf Jahren konnten die Mitarbeiter nach Jena zurückkehren. Die Leiter durften erst nach zweijähriger Quarantäne im November 1953 zurückkehren. Die Väter der Rechenautomaten OPREMA und ZRA 1, Herbert Kortum, Wilhelm Kämmerer und Fritz Straube, diskutierten während dieser zwei Jahre ihre Vision von einem programmgesteuerten digitalen Rechenautomaten. Sie durften keinerlei Notizen nach Jena mitnehmen, hatten jedoch genügend Zeit, sich das Konzept für die OPREMA zu merken. Dadurch konnten ab Mai 1954 bis zum Jahresende (7 ½ Monate) Entwicklung, Bau und Montage der gesamten Anlage mit allen dazu nötigen Arbeiten durchgeführt werden. Mitte 1955 standen zwei gleiche Anlagen zur Verfügung. Ursprünglich war zur Erhöhung der Betriebssicherheit ein Zwillingsbetrieb vorgesehen. Das erwies sich als nicht erforderlich. Die beiden OPREMA arbeiteten ab 1958 bis 1963 sogar dreischichtig. Danach wurden sie durch einen ZRA 1 ersetzt [1], [2].

2. Der programmierbare Rechner für Lochkarten PRL

2.1. Hardware

Der programmierbare Rechner für Lochkarten besaß eine dezimale Festkomma-Arithmetik, rechnete jedoch intern dual. Es wurde mit einer Genauigkeit von 27 Dualstellen (3 x 9 = 27) bzw. 8 Dezimalstellen gerechnet. Alle Zwischenspeicherungen erfolgten in Registern, die aus Röhren-Flip-Flops aufgebaut waren.

Der Aufwand betrug ca. 2.700 Stück Pentodenröhren PL 84.
Der PRL wurde auf austauschbaren Schalttafeln programmiert. Es gab 5 zusammenhängende Schalttafeln mit je 16 Befehlen. Dadurch konnten maximal 80 Befehle untergebracht werden. Bedingte Vorwärtssprünge waren möglich.
Der PRL war mit dem Kartendoppler von BULL aus Frankreich verbunden. Die 80-spaltige Lochkarte war alleiniges Speichermedium für Datenspeicherungen. Operanden und Ergebnisse wurden dezimal gespeichert.

2.2. Historischer Hintergrund

Die Rechner in reiner Relaisbauweise waren den Anforderungen der militärischen Aufrüstung nicht gewachsen. Eine Mischtechnik aus Elektronenröhren und Relais war wesentlich schneller. Im Jahre 1946 nahm die amerikanischen Armee 1946 als ersten Röhrenrechner den ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Computer) zur Berechnung ballistischer Reichweiten von Raketen in Betrieb. Er besaß eine dezimale Festkomma-Arithmetik und rechnete auch intern dezimal. Er war 30 m lang und enthielt 18.000 Röhren und 1.500 Relais. Die Programmausführung wurde wie bei den Lochkartenmaschinen durch Schaltschnüre auf Schalttafeln realisiert. Die Dateneingabe erfolgte über Stecker und Schalter.

Der ENIAC blieb als Einzelexemplar bis zum Oktober 1955 in Betrieb. 1957 stellte IBM bereits einen Digitalrechner mit Magnettrommelspeicher unter dem Namen IBM 650 vor.

1958 hatte ELREMA freie Entwicklungskapazität, jedoch selber keine Möglichkeit, den Magnettrommelspeicher der TH Dresden in die industrielle Fertigung zu überführen. Durch die Einführung der Transistortechnik waren auf dem kapitalistischen Markt massenweise Röhren zum Schrottpreis verfügbar geworden. Berichte über den ENIAC gaben die Anregung zur professionellen Entwicklung des PRL für eine Kleinserie. Riskant waren sowohl die völlig unbekannte Anzahl der Anwender in der DDR als auch die Verfügbarkeit der billigen Röhren im Fertigungszeitraum. Da in der DDR damals noch keine Studie zur Entwicklung verlangt wurde, konnte diese beginnen. Röhren für mindestens zwei Entwicklungsmuster wurden gekauft. 1959 stellte IBM die EDV-Anlage 1401 mit Magnetbandspeicher vor. 1960 stellte Carl Zeiss Jena den wissenschaftlich-technischen Rechner ZRA 1 mit Magnettrommelspeicher vor. Ebenfalls 1960 wurde das erste Entwicklungsmuster des PRL in Betrieb genommen, das zweite bereits nicht mehr. Das erste Muster wurde in der Lochkartenstation von ELREMA eingesetzt und diente von 1964 bis 1967 als Vorführgerät für Besucher. Danach kam es in die Technischen Sammlungen nach Dresden.

Autoren und Quellen

Autor: Thomas Schaffrath - Dipl.-Phys., Logikentwerfer, Informatikassistent Wirtschaft

[1] Hans Jürgen Grunewald: Beitrag der Zeiss-Werke in Jena und Saalfeld zur Entwicklung der Rechentechnik in der DDR in Naumann/Schade: Informatik in der DDR – eine Bilanz, ISBN 978-3-88579-420-2
[2] Immo O. Kerner: OPREMA und ZRA 1 – die Rechenmaschinen der Firma Carl Zeiss Jena, ebd.